Omas gegen Rechts – abcEtüde 19*20*21*22**24

Der Wind fegte ein paar wenige Blätter über die leeren Gehsteig. Paul trat wütend gegen den Pfeiler. Er kam einfach nicht hoch genug, um dieses hässliche Plakat abzureißen. Er fluchte. Er kickte die Bierdose, die er gerade ausgetrunken hatte wie ein Fußballer durch die Luft.
Sie segelte eine Strecke, klirrte über das Pflaster und stieß gegen eine alte Frau. Die krächzte:
„Nanana! Junger Mann, in wessen Geist bist du denn erzogen? Hölderlin oder wie?“
„Orrrr Oma, was unterstellst du mir denn da? Wahnsinn, oder was?“ er versuchte sein Erschrecken hinter seinen schnodderigen Worten zu verstecken: „Und mein Geist ist Antifa!!!“.
Während sie, auf einen Stock gestützt, näher schlurfte, betrachtete er die alte gebeugte Frau und fragte sich, was sie um diese Zeit – es war weit nach Mitternacht – hier tat. Ihr Gesicht war faltig, nahezu runzlig, aber ihre Augen blickten neugierig und wach auf die sich ihr bietende Gestalt: Schnürstiefel, eine gestreifte rote Hose, die mehr Löcher aufwies als Stoff, pinke Haare mit blauen Strähnen und schwarzumrandete Augen, deren Farbe von Schweiß und Regen ein wenig verlaufen war. Sie grinste.
„Was machst du hier, Jungchen?“ krächzte sie.
„Geht dich nix an, Oma!“ brummte er.
„Sei nicht so frech!“ gab sie zurück: „Ich hab dich doch gesehen…“ begann sie. Doch er sagte:
„Und was machen Sie hier um diese Zeit?“
„Ach Junge“ sagte sie: „Du hast ja keine Ahnung…also: was machst du hier? Kann ich dir vielleicht helfen? Es wär doch eine herbe Enttäuschung, wenn du nicht schaffen würdest, was du dir vorgenommen hast, oder?“
„Und wie wollen Sie mir dabei helfen?“ fragte er unsicher.
Sie trat näher, stützte sich auf seine Schulter, nahm den Stock und riss mit einem Ruck die Bänder des Plakates kaputt:
„Na so“ sagte sie und machte sich auf ihren Weg.
Er sah ihr nach und lächelte.

Eine Geschichte im Rahmen der Schreibeinladung zu den abcEtüden von Christiane.

Veröffentlicht von Kain Schreiber

Gedanken. Geschichten. Bilder.

15 Kommentare zu „Omas gegen Rechts – abcEtüde 19*20*21*22**24

  1. Zuerst wollte ich schreiben, dass das der richtige Geist ist, aber na ja, was würde ich denken, wenn es „meine“ Partei träfe (so ich eine hätte)? Trotzdem kann ich nicht umhin: Meine Sympathie haben beide.
    Danke dir für die Etüde!
    Bunte Morgenkaffeegrüße 🌤️🌳🎶☕🍪

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    1. Ich möchte mich für die unsaubere Arbeit entschuldigen!
      Aber nachdem ich fertig war, waren32!!!Worte zuviel und beim Einkürzen habe ich wohl hier und da Fehler gemacht.
      Kardinalfehler:nicht noch mal drüber lesen:(
      Viele Entschuldigungen an alle, die sich „durchgequält“ haben.
      Danke für eure Geduld,

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  2. Mir ist es nicht aufgefallen außer bei „Ich hab dich doch gesehen…“ begann sie. Doch er sagte: … da finde ich fehlt ein Übergang aber sonst doch sehr gelungen mit einer richtig sanften Atmosphäre. Ein besseres Adjektiv fällt mir nicht ein, ja „sanft“ passt genau

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  3. Wo fängt denn Zivilcourage an? Erst geschehen lassen, und sich dann wehren; oder sich gleich von Anfang an mit allen Mitteln wehren?

    Ich weiß, es ist ein schmaler Grat, und der nennt sich Rechtstaatlichkeit.

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    1. Ein geringer Teil der Bevölkerung terrorisiert den Rest und wir versuchen, dem mit rein demokratischen Mitteln beizukommen…das hat schon mal nicht funktioniert.
      Die Frage ist doch:Wo fängt Widerstand an? Wann muss er beginnen? Wie stark darf er sein?
      Nie wieder sollte die rechte Brut groß werden dürfen…denke ich

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  4. Sympathisches Duo 🙂

    Wobei es einen Teil in mir gibt, der ihr Handeln zwar verständlich, nichtsdestotrotz aber sinnlos findet. Kein Mensch wird nicht rechts wählen, weil er keine Plakate vorfindet. Und niemand rechts, weil sie vor seiner Nase aufgehängt werden. Was mir gefiele: Alle Plakate, die in irgendeiner Weise rassistischen, sexistischen, antidemokratischen (etc.) Inhalts sind abhängen. Sie sammeln und kommentieren. Dann an prominenter Stelle wieder nebeneinander aufstellen. Dann haben die Leute wenigstens die Möglichkeit, sich mit den Inhalten auseinanderzusetzen. *auf ideen komm*

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