„Orrrrrr, Harry“ rief Helga laut und empört: „Jetzt mach doch diesen Mist aus! Dieser Schilensky oder wie der heißt, der ist wie ein rotes Tuch für mich! Der geht mir so auf den Sack…erst Panzer, jetzt Kampfjets…was noch?…Ich kann das alles nicht mehr hören.“
Sie langt über den Tisch und versucht die Fernbedienung zu erhaschen, doch Harry ist schneller. Er behält sie in der Hand, sagt:
„Helga“ beginnt er beschwichtigend: „Jetzt lass mich doch kurz zuhören. Gleich kommt noch der Sport und den möchte ich sehen.“
„Nee Harry!“ beharrt Helga aufgebracht: „Erst diese ganzen armen Menschen in Syrien und der Türkei, jetzt dieser Kriegsquatsch…überall nur Leid und Tod.“
Sie steht auf:
„Ich will mich nicht davon beherrschen lassen, dass die ganze Welt verrücktspielt“ sagt sie, während sie zur Tür geht: „Es gibt doch auch noch anderes. Ich muss doch auch mein Leben schaffen. Wie soll denn das gehen, wenn man nicht mehr weiß, wofür?“
„Ach Helga“ macht Harry. Doch da ist sie schon aus der Tür. Gerade fängt der Sportteil an, doch er steht auf und geht ihr nach.
Sie räumt in der Küche sinnlos Dinge von der einen auf die andere Seite. Er legt die Arme um sie. Sie lehnt den Kopf an seine Schulter.
„Du darfst das nicht so an dich ranlassen!“ flüstert er ihr sanft ins Ohr: „Du musst einen Schnitt machen und es von uns abtrennen. Das alles hat nichts mit unserem Leben zu tun!“ Er küsst sie auf die Stirn.
Helga schiebt ihn ein wenig weg.
„Geh deinen Sport gucken!“ sagt sie und es klingt erschöpft.
Er hält sie fest und murmelt: „Der ist doch schon vorbei. Komm! Lass uns einen schönen Film gucken!“
„Geh schon mal.“ Sagt sie: „Ich komme gleich.“
Sie drückt ihn in Richtung Tür.
Ihre Tränen hat er nicht gesehen.
(300)
Eine Geschichte im Rahmen der Schreibeinladung zu den abcEtüden von Christiane.
Das ist wieder so ganz aktuell! Und so echt.
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Tagesthemen – wie recht du hast. Manches lässt sich nicht so einfach wegdrücken, weil es unberechenbar ist (ist es das?), und das ist nun mal schwer auszuhalten, weil es Angst macht …
(Siehste, geht doch. Finde ich sehr gelungen.)
Herzliche Morgenkaffeegrüße ☁️🌥️☕🍩
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Solche Gespräche kenne ich auch und frage mich jedesmal, ob wir nicht doch etwas tun könnten.
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Genau das macht dieses hoffnungslose Gefühl aus: nichts tun zu können.
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Scheinbar gibt uns das Nachrichtenschauen, welches zur Routine geworden ist, vor allem im Alter, so ein sicheres Gefühl von Geborgenheit, egal was da abgeht, wir sitzen ja sicher aufm Sofa dabei. In jungen Jahren hat uns sowas überhaupt nicht interessiert und da waren wir anderswo mittendrin, das reichte schon. Viele fliehen auch vor der stillen Lücke, die sich auftut, wenn die Glotze aus ist, kein Film läuft. Was machen? Mit welcher Kurzweil kann man die Zeit totschlagen? Diese stillen Tränen sehnen sich doch nur danach, in aller Ewigkeit mal ganz still und ohne Worte an seiner Schulter zu lehnen und dankbar für das stille Glück zu sein… ohne was Gestern war und was Morgen sein wird, einfach nur zusammen da zu sein … Männer schalten ab, Frauen lassen es im Sumpf ihrer Emotionen versinken und lassen sich immer wieder vollblubbern damit. In dieser stillen Lücke ohne Zeitvertreib könnte man sich treffen, ich glaube da wartet so viel schönes ….
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Eine gänzlich andere Sicht als ich sie hier zugrunde legte, aber auch diese hat ihre Berechtigung.
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Dann würde mich Deine Sicht sehr interessieren, kannst Du mehr dazu schreiben?
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