„Zugfahrt“ hatte ich bisher in 4 Teilen veröffentlicht und bevor es weitergeht hier noch einmal als Fließtext zum herunterlesen. Fortsetzung folgt
Sira schaute durch das schmutziggrau-verkratzte Fenster des Waggons nach draußen auf den selbst im grellen Morgenlicht düsteren Bahnsteig. Es roch nach kalter Luft, vielen Menschen, ein bisschen Pisse und kaltem Essen. Angewidert verstaute sie ihre Tasche in dem Gepäckfach über ihrem Kopf und ließ sich auf das blümchenlilagelbe Sitzpolster fallen.
Zum Glück war sie allein im Abteil. An einem Sonntagmorgen hielt sich die Reiselust vieler Kleinstädter sehr in Grenzen. Erst am Abend würde es hier Gedränge geben. Die Züge würden aus allen Nähten platzen. Sitzplätze eine Rarität. Dann wenn alle Wochenpendler zurück an ihren Arbeitsplatz, die Lehrlinge und Studenten in ihre Wohnheime hetzten, war es vorbei mit der Beschaulichkeit. Doch dann würde sie längst woanders sein. Am Meer. Den Wellen lauschen. Einen Sonnenuntergang lang nichts denken. Mit niemanden reden müssen. Allein mit dem Wind.
Vorläufig jedoch saß sie in diesem Zug. Stand immer noch auf diesem kalten zugigen Bahnsteig und hoffte, dass ihr Abteil so leer bliebe. Sie stand noch einmal auf, nahm ihr Buch aus der vorderen Tasche ihrer Reisetasche und legte es auf die kleine Ablage am Fenster. Setzte sich zurück auf ihren Platz und versuchte eine bequeme Position einzunehmen. Lehnte ihren Kopf – mit den Gedanken an die Schmuddeligkeit der gesamten Zugeinrichtung, die womöglich schon Millionen Menschen berührt, besessen, beniest …über weiteres verbot sie sich nachzudenken, jedenfalls in irgendeiner Form benutzt hatten – an den Fensterrahmen, der wie alles hier so wirkte als würde er nicht geputzt, sondern der Schmutz nachhaltig eingerieben.
Jemand betrat das Abteil. Sah sich suchend um. Ging weiter, sah Sira kurz an und verließ das Abteil dann am anderen Ende.
Sira hörte wie die Türen geschlossen wurden. Eine Durchsage knarrte durch die Lautsprecher und verhallte unverstanden unter den Dächern des Bahnhofs. Dann endlich ertönte der Pfiff, ein Rütteln durchlief den Waggon und dann setzte sich das Stahlross gemächlich in Bewegung. Schnell nahm der Zug Geschwindigkeit auf, kaum dass sie den Bahnhof hinter sich gelassen, aus der Überdachung in das goldene Licht der Sonne wie aus einem Tunnel heraus gefahren waren. Die vielfachen Kratzer in der Scheibe brachen das Licht in allen Facetten.
Die Unebenheiten der Schienen, des Bodens und der Weichen schaukelten Sari sanft hin und her. Das gleichmäßige Rollen und Tuckern spielte die Musik dazu. Ein dumpfes untergründiges Grollen, das tief in die Magengrube echote. Langsam sanken Saris Lider nach unten. Hinter der Dunkelheit tanzten schillernd bunte Punkte. Sari versank darin, hing ihren Gedanken nach, die allmählich immer träger durch ihren Kopf kreisten, ohne klares Ziel.
Martin strich ihr übers Haar. Sein Lächeln war einnehmend und überzeugend. In seinen Augen spiegelte sich das Licht. Es schien in ihn hinein zu leuchten. Ganz nah war sein Gesicht ihrem. Sie konnte seinen Atem spüren. Ein leichter Hauch wie ein Streicheln. Seine Lippen – leicht geöffnet noch von seinem letzten Wort – berührten fast ihren Mund. Ihr Herz schlug schnell und eindringlich. Gleich würde er sie küssen. Sie spürte das Adrenalin ihr Blut durch den Körper pumpen. Sie brannte von innen aus und auf ihn zu.
Doch irgendwo in ihr spürte sie den Zweifel. Argwohn kroch ihr den Rücken entlang. Jeden Wirbel einzeln mit einer gruseligen Gänsehaut auf dem Weg nach oben überziehend. Sie fühlte wie das Feuer langsam erstarb. Nahezu erstarrte die Flamme in Bewegung festgefroren. Was hatte er gesagt? Sie versuchte in ihren eigenen Kopf zu schauen. Durch den Gehörgang in sich selbst hinein zu gehen, um die Worte wiederzufinden, die ihr irgendwie verloren gegangen waren. Doch es schien als wäre eine stählerne Tür zwischen ihren Hören und dem Empfang in ihrem Hirn. Wo waren die Worte geblieben? Alles schien im Dunkeln zu liegen, aber sie wusste nicht wo. Sie lauschte in sich hinein. Angestrengt. Während auch ihrer beiden Bewegung eingefroren schien. Seine Lippen nah bei ihrem Mund. Kein Vor, kein Zurück. Erstarren. Was hatte er gesagt? War es das, was ihr diesen kalten Schauer über den Rücken schickte? War es eine Bedrohung? War er die Bedrohung? Sie suchte in seinen Augen nach einer Antwort. Suchte die verlorenen Worte in ihm. Unergründlich wirkte sein Blick. Sie verstand nicht, wie es möglich war, dass seine grünen Augen, die ihr eben noch strahlend und glücklich, verheißungsvoll schienen, so tiefdunkel abgründig scheinen konnten. Was hatte er gesagt? Sollte sie ihn fragen? Würde er es als Unhöflichkeit empfinden, wenn sie eingestand, dass sie partout nicht mehr nachvollziehen konnte, was er gerade eben noch gesagt hatte oder würde er es nur seinem ungeheurem Charme zuschreiben, dass sie nicht in der Lage gewesen war, neben den tiefen emotionalen Erschütterungen, die er auslöste auf irgendeine Sachinformation zu reagieren? Verständnis oder Ungnade – sollte sie es riskieren?
Sie versuchte noch einmal – auf seine Lippen schauend -, sich zu erinnern, wie die Worte aussahen als sie diese Lippen verlassen hatten, um –ähnlich dem Lippenlesen – daraus die verpassten Worte zusammenzusetzen. Es schien ihr wie eine Ewigkeit bis sie endlich eine Antwort fand. Plötzlich wusste sie, was er – ganz leise zärtlich hauchend – gesagt hatte.
Sie wollte aufspringen. Sich abwenden und weglaufen. Weit weg.
Doch sie konnte es nicht. Er hielt sie fest.
In diesem Moment riss sie das Kreischen der Zugbremsen aus dem Schlaf. Sie fuhren in einen Bahnhof ein. Das vorbeifliegende Wort, das den Ortsnamen ergab, hatte sie verpasst.
2
Sira blinzelte gegen das Licht. Riss die Augen mit Macht weit auf. ‚Wach sein!’ befahl sie sich. Starrte aus dem Fenster auf den Bahnsteig, auf dem Menschen morgenmüde davon schlurften, ihre handgepäckpassendgroßen Minirollkoffer klappernd hinter sich her ziehend, und in irgendwelchen Treppenabgängen auf immer verschwanden.
Schon war der Traum in seiner Konkretheit vergessen. Zurück blieb das vage Gefühl der Bedrohung und der Unannehmlichkeit in der eigenen Haut, die zu eng schien für die Gefühle, die darin tobten; so dass sie sie abstreifen mochte wie eine Schlange, um neu zu erstehen.
Situationsgetreu sozusagen.
‚Kaffee’ sagte sie zu sich selbst: ‚ich brauch Kaffee!’ und stand auf.
Sie sah sich suchend um. War sich nicht sicher, ob sie – bevor sie eingestieg – irgendwo einen Speisewagen gegeben hatte und wenn dem so sei, in welcher Richtung von ihrem Sitzplatz aus, dieser wohl eingereiht sein könnte. Sie sah aus dem Fenster zum Bshnsteig, doch im gleichen Moment ertönte der Pfiff und der Zug setzte sich nahezu augenblicklich wieder in Bewegung. Sira plumpste auf ihren Sitz.
Sah hoch zu ihrer Tasche, die – angefüllt mit ziemlich vielen ihrer Sachen – schwer und fett auf der Ablage lag und ihr wurde klar, dass sie ohnehin nicht einfach losspazieren und nach einem Kaffee suchen konnte, ohne ihre Tasche mitzuschleppen oder sie unbeobachtet hier an ihrem Platz zu lassen, mit allem darin, was sie im Moment noch hatte. Sicher: nichts von besonderem Wert; die wirklich wichtigen Sachen trug sie stets bei sich, aber dennoch hatte sie keinen Bock darauf, alles zu ersetzen oder auch einfach nur diese ganze Wut und Verzweiflung des Bestohlen-worden-seins einschließlich des Behördenstress’ zu erleben. Womöglich musste sie noch aussteigen, die Fahrt unterbrechen und würde deshalb noch später ankommen als es sowieso schon werden würde. Völlig indiskutabel.
„Ich kann Sie vielleicht nicht damit trösten, aber es gibt hier keinen Speisewagen.“ hörte sie plötzlich eine Stimme hinter ihr sagen und fuhr erschrocken herum. Schräg links hinter ihr sah ein älterer Herr mit Hut über seinen Buchrand zu ihr. Ihr schien, dass er lächelte, doch sie konnte es nur hinter dem Buch erahnen, das seine Lippen verdeckte. Sie wollte etwas sagen. Klappte den Mund auf, aber ihr fiel nichts ein. Sie war zu durcheinander in sich selbst als das sie in der Lage war, mit einem Fremden zu interagieren.
„Entschuldigung!“ sagte er jetzt und nahm das Buch herunter: „Ich wollte Sie nicht erschrecken! Aber Sie sahen aus, als suchten Sie nach einer Möglichkeit an einen Kaffee zu kommen, nachdem Sie bis eben geschlafen haben.“
„Wie sind Sie hier reingekommen?“ hörte Sira sich fragen und fand sich im Moment des Sprechens schon völlig bescheuert. Natürlich war er – wie sie – einfach in den Zug gestiegen und hatte sich ein Abteil gesucht. Sie wartete darauf, dass er mit einem plumpen Witz klarmachte, dass ihre Frage – und damit auch sie – ziemlich dumm war – doch er lächelte nur und sagte stattdessen: „Es gibt wohl weiter vorn“ er wies mit dem Kopf leicht in die Richtung, die er meinte: „einen Automaten. Dort könnte man wohl Kaffee bekommen. Also: wenn man das so nennen will, was dort herauskommt.“
Sira machte unsicher „Aha“ und sah in die angegebene Richtung, abwägend, ob sie es wagen könnte, soweit (obwohl sie nicht wissen konnte, wie weit es sein würde) zu gehen.
„Gehen Sie ruhig! Bis zum nächsten Halt kann ich ja nicht einfach verschwinden und ihr Gepäck also auch nicht!“ sagte er hinter seinem Buch.
Sira sah zwischen dem Buchrücken und der Tür hin und her. Dann entschloss sie sich. Ging mit zwei schnellen Schritten zur Tür und drückte sie auf.
Wenig später kam sie mit zwei dampfenden Kaffeebechern zurück – das Abteil wirkte wie eingefroren, alles stand und lag an seinem Platz -, stellte sich direkt vor den Unbekannten und wartete. Es vergingen mehrere Sekunden, in denen sie den hochkantstehenden Titel [„Jetzt – Die Kraft der Gegenwart“ hieß es] auf dem Buchrücken entzifferte, das Foto darauf studierte, aber zu keinem Schluss kam, was es sein könnte und das Porträt des Schreibers ausgiebig begutachten konnte, bevor das Buch sich senkte und der Leser Sira ansah. Sie lächelte und hielt ihm den Kaffee hin: „Bitte schön!“ und mit einem Blick auf das gesunkene Buch: „Und ist der Eckhart so Toll?“
„Nun…“ sagte er bedächtig, drehte das Buch als müsse er selbst noch einmal schauen, welches er gerade las: „Wenn Sie ein wenig Klarheit in die Gedanken bringen möchten, ist es durchaus geeignet.“ Und griff nach dem Kaffee: „Vielen Dank! Ist das als Belohnung gedacht?“ fragte er grinsend. „Vielleicht“ schmunzelte sie und ging an ihren Platz zurück.
3
„Wenn du mich verlässt, bring ich dich um!“ hatte Martin ganz nah an ihrem Mund geflüstert. Es war fast zärtlich gehaucht und wer sie sah, dort am Fenster, musste gesehen haben: da sitzen zwei Menschen und sind sich ganz nah. Vielleicht schwelgten sie in Erinnerungen an Liebe und alles, was sie damit verbanden und ahnten nicht, dass es hier um etwas ganz anderes ging. Oder vielleicht auch nicht. Darüber waren sehr viele Menschen geteilter Meinung: was darf die Liebe? Wie weit geht sie bevor sie in Hass umschlägt?
Sira schüttelte energisch den Kopf. Sie wollte dem Gedankenkarussell nicht schon wieder all den Raum in ihrem Kopf überlassen. Sie wühlte in ihrer Tasche, suchte und fand „Die Stadt der Engel“ von Christa Wolf, das ihr vor vielen Jahren eine Freundin geschenkt hatte und sie nie geschafft hatte anzufangen. Sie schlug es auf du ihr Blick fiel auf einen Satz
Man kann sich auch an den falschen Fragen abarbeiten.
Und klappte es energisch wieder zu.
Wie kam Christa Wolf dazu, ihr solche Fragen zu stellen – und insgeheim (sie grinste über sich selbst, obwohl ihr nicht zum Lachen war) wünschte sie sich, es mit ihr, dieser Grand Dame des Schreibens, ausdiskutieren zu können. Wäre sie auch nur annähernd so weise und abgeklärt wie es ihre Bücher suggerierten, hätte Christa Wolf sicher einige Antworten auf ihre Fragen an sich selbst geben können. Doch dafür – hätte es jemals diese Möglichkeit gegeben – war es längst zu spät.
Sira sah aus dem Fenster. Bäume und Felder rauschten vorbei. Strommasten entlang der Strecke verschreckten die Augen zwischendurch, in dem sie mit ihrer Nähe den Fokus durchbrachen.
„Die Kraft der Gegenwart“ Sira warf einen Blick über ihre Schulter, auf das Buch, das ihr Begleiter las und auf ihn selbst.
Sie hoffte sehr, dass sie sie finden würde: die Kraft mit ihrer Gegenwart umzugehen. Allein. Für sich. Weit weg von allem, was gewesen war. Nur vor ihrer eigenen Schuld konnte sie nicht weglaufen, egal wie weit dieser Zug fahren würde.
4
Das gleichmäßige Schunkeln des Zuges, die Sonne vor den zerkratzten Fenstern, die Hand auf dem Buch, das sie noch nie gelesen hatte, entglitten Sira ihre Gedanken – hinein in die Welt der Erinnerungen:
Sie sah Martins schallend lachendes Gesicht im bunten Licht der Lampions, die im Rhythmus der dröhnenden Bässe aus den überdimensionalen Boxen auf dem akurat geschnittenen Rasen der Familie Schlevendahl, in deren Garten ihre beste Freundin Ann-Luise ihren 18. Geburtstag feierte. Sie konnte ihn nicht hören. Er stand mit einer Gruppe von Jungs auf der anderen Seite des Pools. Sie lachten und tranken sich zu. Sie hatte ihn dort schon vor einer Weile entdeckt. Sie kannte ihn nicht und wusste auch nicht, wer ihn mitgebracht haben könnte. Anni – wie sie ihre Freundin nannte – war nirgends zu sehen, so dass sie sie auch nicht fragen konnte. Außerdem war die Musik ohnehin zu laut, um sich zu verständigen. So blieb sie dabei, ihn aus der Ferne zu beobachten. Sein Lachen sah offen, fröhlich und mitreißend aus und sie stellte sich vor, dass es dunkel, kehlig und ein bisschen rauh klingen würde. Um seine Augen bildeten sich kleine Fältchen, wenn es lachte. Sira vermutete deshalb, dass er ein wenig älter sein könnte als die meisten Jungs hier. Er trug Jeans und T-Shirt. Völlig unauffällig und doch wirkte er so lässig, dass man glauben konnte, er sei soeben von einem Fotoshooting mal eben vorbeigekommen.
Plötzlich sah er ihr direkt ins Gesicht. Sein Lachen hielt kurz inne, dann hob er seine Flasche grüßend zu ihr hoch und zwinkerte ihr zu.
Sira hob ihr Cocktailglas und grüßte mit einem kleinen Kopfnicken zurück. Tank einen kleinen Schluck und drehte sich dann um und ging hinüber zu der kleinen Lounge, um sich zu den Mädels zu setzen, mit denen sie gekommen war.
Während sie hinüber schlenderte, war sie froh, dass die Lichter so bunt waren, dass niemand gesehen haben konnte, dass sie wahrscheinlich dunkelrot angelaufen war, so erschrocken war sie über die Selbstverständlichkeit mit der er sie gegrüßt hatte. Es hatte so …vertaulich gewirkt. Als kennten sie sich. Nun war es an ihr zu grübeln, ob dem so sein könnte und wenn, woher sie diesen Mann kennen könnte.
Ihr fiel nichts dazu ein.
In diesem Moment schubste sie jemand von hinten. Sie flog fast den letzten Meter bis zu den Korbmöbeln auf denen die Mädels saßen, landete auf Christines Schoß und sah sich um: drei Jungs aus ihrer Klasse versuchten einen vierten Richtung Poolkante zu bugsieren, in der Absicht, ihn hineinzuwerfen. Bei dem Gerangel hatten sie Sira unabsichtlich angestoßen. Christine riss ihr Glas weg, um den Inhalt zu retten. Dieser jedoch ergoss sich nun in einem Schwall auf dem Kleid von Judith, die aufschrie und hochsprang. Die klassische Kettenreaktion setzte sich bis an das Ende der Sitzreihe fort, unter großem Gequietsche und Gejohle bei gleichzeitigem Gebrüll der Jungs am Pool.
Sira sah auf die vorbeihuschende unbekannte Landschaft vor dem Zugfenster: sie wusste nicht mehr wie es an dem Abend mit der Party weiterging. Nur vage war ihr noch in Erinnerung, dass sie wohl ziemlich viel getrunken hatte und Ann-Luises Eltern – der Vater Anwalt, die Mutter Ärztin – am nächsten Morgen ein wenig echauffiert waren: es lagen mehrere Jugendliche auf allem, auf dem man liegen konnte – teilweise auch einfach auf dem so wunderbar getrimmten Rasen – und schnarchten. Auch im Haus lagen überall schlafende Menschen, vorwiegend junge Mädchen.
Sie selbst war neben Anni davon aufgewacht, dass Frau Schlevendahl in der Tür stand und sehr ruhig sagte: „Ann-Luise! In einer Stunde sieht das Haus wieder aus wie meins!“ Dann hatte sie sich umgedreht und war wieder verschwunden, während sie und Anni sich die Augen rieben, um irgendetwas zu sehen.
Sira musste schmunzeln. Sie waren so jung gewesen.
Ann-Luise war inzwischen längst einer anderen beste Freundin. Lebte irgendwo in München. Der einzige Kontakt, den sie noch hatten, waren die Fotos auf Insta und hier und da mal ein „Hallo!Wie geht’s“ im Facebookchat. Aber auch das war in den letzten anderthalb Jahren nahezu eingeschlafen.
Sira sann darüber nach, ob dies wirklich nur an ihr lag. Hatte Martin sie wirklich so sehr abgeschottet, dass sie alle ihre Freunde aufgegeben hatte oder wäre es genauso gekommen, wenn sie ihn gar nicht kennen gelernt hätte? Doch die Zeit konntee man nicht zurückdrehen. Sie würde es nicht rausfinden, aber sie nahm sich vor Ann-Luise anzurufen. Bald.